Das Institut für Qualitative Sozialforschung der Fakultät für Psychologie lädt herzlich zum 2. Werkstattgespräch bei freiem Eintritt: 

Dr. Michael Kimmel: Mikrophänomenologie
Das Explikationsinterview als dialogische Kunst

Datum: 29.11.2023, 17.00-20.00h, Eintritt frei
Ort: Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, Freudplatz 1, 1020 Wien
Die Raumnummer entnehmen Sie bitte den Bildschirmen vor Ort. 

Zum Inhalt

Der Begriff Mikrophänomenologie bezeichnet ein Bündel an Methoden, die ein erlebtes Ereignis (oder einen Ereignis-Typ) aus der Sicht der erlebenden Person aufzuschlüsseln versucht und seine Prozesseigenschaften rekonstruiert.

Ziel des Werkstattgesprächs ist es, die mikrophänomenologische Methode des Explikationsinterviews nach Vermersch (1994) und Petitmengin (1999; 2006) vorzustellen und den Austausch über Erfahrungen und Herausforderungen mit dieser Methode zu ermöglichen. Das Explikationsverfahren bezweckt, die interviewte Person in einen „evokativen“ Zustand zu leiten, um die Details eines Erlebnisinhalts der Aufmerksamkeit und der Verbalisierung verfügbar zu machen. Die Grundidee ist dabei, daß man mit Unterstützung einer anderen Person die Aufmerksamkeit auf ein Ereignis leichter stabilisieren kann als alleine. Das Verfahren kann daher als Kunst der Dialogführung in der Tradition sokratischer Hebammenkunst betrachtet werden, und bezieht Techniken aus der Achtsamkeitstradition und psychotherapeutischen Ansätzen mit ein.

Der thematische Input führt zunächst in die Debatte um „Introspektion“ in der Psychologie ein, um darzustellen, warum uns Erfahrungsdetails im Alltag gerne entgleiten und auf welche Herausforderungen das Explikationsinterview hier antwortet. Danach wird der Prozessablauf des Interviewens vorgestellt, in dem ein Ereignis progressiv feiner zerlegt und der „Zoomfaktor“ erhöht wird. Interviewer müssen einerseits eine bestimmte Art des Fragens erlernen, der Raum für Tiefergehen in die Struktur eines Ereignisses ermöglicht (offenes und rekursives Fragen, Wie statt Warum). Andererseits nutzen Interviewer die verkörperte Begegnung (Resonanz und eine geteilte „Aufmerksamkeitsblase“ herstellen, auf Stimme und Körpersprache des Interviewten reagieren). Abschließend wird beispielshaft veranschaulicht, wie Explikationsmethodik im Forschungsprozess verwendet wird und wie man sie sowohl als retrospektives Erinnern als auch in explorativen Workshops einsetzen kann.

Im zweiten Teil des Werkstattgesprächs steht der gemeinsam Austausch über Erfahrungen, und Herausforderungen im Zusammenhang mit dieser Methode im Zentrum.

Zur Person

Dr. Michael Kimmel ist Kognitionswissenschafter an der Universität Wien (Cognitive Science Hub), und arbeitet im Fachbereich 4E cognition (embodied, enactive, extended, embedded). Er beschäftigt sich in seiner Forschung seit 15 Jahren mit körperlichen Interaktionsfertigkeiten in Paartanz, Kampfsport, Partner-Akrobatik und Bodywork. Er verfügt zudem über einen Hintergrund im Bereich Kognitionslinguistik und Metaphernanalyse und widmet sich gegenwärtig der Frage, wie Sprache im Körper „andockt“ und Wirkung entfaltet.

Wir freuen uns auf einen interessanten Abend!

Institut für Qualitative Sozialforschung
Fakultät für Psychologie
Sigmund Freud PrivatUniversität Wien
Freudplatz 1, 1020 Wien
qualitative.methoden@sfu.ac.at