Uns wird die traurige Pflicht zu teil, Ihnen den Tod unseres hoch geschätzten Kollegen und Weggefährten Prof. em. Dr. Hans Werbik mitzuteilen. Ein reiches Wissenschaftlerleben fand am heutigen Tage, dem 20. Dezember 2021, nach kurzer schwerer Krankheit sein Ende.

Wer Hans Werbik aus persönlicher Begegnung kannte, war von seinem Humor, seiner Neugierde und der aufrichtigen Wahrheitsliebe für unsere Wissenschaft und der Kulturpsychologie im Besonderen tief berührt.

Hans Werbik wurde am 27. Februar 1941 im niederösterreichischen Hollabrunn als Sohn eines Architekten und einer Lyrikerin geboren. Seine Matura legte er am Akademischen Gymnasium in Wien ab, der Stadt, in der er noch im selben Jahr das Studium der Psychologie, Philosophie und Musikwissenschaft aufnahm. Eigentlich galt sein Interesse mehr der Musikwissenschaft als der Psychologie, denn er wollte Komponist werden. Es ist anders gekommen. 1963 schließt er sein Studium mit der grundständigen Promotion Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit und deren Zusammenhang zur Beurteilung von Mitarbeitern ab (Werbik, 1966). Von 1966 bis 1969 ist er als wissenschaftlicher Assistent am Psychologischen Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen beschäftigt, wo er sich 1969 mit der musikpsychologischen Arbeit Informationsgehalt und emotionale Wirkung von Musik habilitiert (Werbik 1971). 1970 wechselt Werbik als Akademischer Rat an das Institut für Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wo er 1973 zum ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl II Allgemeine Psychologie berufen wird, den er bis zu seiner Emeritierung 2006 inne hatte.

Hans Werbiks wissenschaftliches Werk war insbesondere hinsichtlich zweier Schwerpunkte wegweisend: Handlungstheorie und Kulturpsychologie. 1985 unterschied Hans Werbik aufbauend auf den Erlanger Konstruktivismus zwischen Psychonomik und Psychologie (Werbik 1986). Während erstere bestrebt ist, menschliches Verhalten bzw. Benehmen anhand normativ ausgerichteter Formulierungen vermeintlicher Gesetzmäßigkeiten zu kontrollieren, ist letztere Kultur- und Handlungspsychologie, die sich am Begriff des mitmenschlichen Umgangs und an ethischen Leitvorstellungen der Autonomie des Subjekts orientiert. Zunächst noch an einfachen Formen der Handlung orientiert, nähert sich Werbik über die Jahre komplexeren Phänomenen und kommt übereinstimmend mit Ernst E. Boesch zu der Erkenntnis, dass die einfachen Handlungstheorien die Komplexität menschlichen Handelns übersehen, indem sie es auf Zielantizipation, Handlung, Zielerreichung reduzieren. Mit dieser Erkenntnis rückt der Zusammenhang von Kultur und Handlung in das Zentrum einer subjektwissenschaftlichen Psychologie. Die breite wissenschaftliche Anerkennung blieb der Erlangener Handlungstheorie allerdings versagt. Dennoch regten viele Ideen von Hans Werbik seine Schüler und Schülerinnen oder Weggefährten zu fruchtbaren Initiativen an. Er gründete 1987 gemeinsam mit dem Salzburger Professor Wilhelm Revers die Gesellschaft für Kulturpsychologie, deren Gründungsvorsitz er innehatte. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden hier ein Forum, dem kulturellen Kontext psychischer Phänomene zur Anerkennung zu verhelfen. Hans Werbik regte zudem eine Arbeitsgruppe Philosophie und Psychologie an, die mit einer erfolgreichen Tagung in Erlangen 2018 (Werbik et al., 2021) ihre Arbeit aufnahm.

Die Psychologie verliert mit Hans Werbik nicht nur einen großen Wissenschaftler, bedeutenden akademischen Lehrer und politisch-engagierten Bürger, sondern auch einen liebenswürdigen und humorvollen Kollegen. Wir werden uns seiner stets gerne erinnern.

Im Namen der Gesellschaft für Kulturpsychologie

Prof. Dr. Dr. Uwe Wolfradt, Dr. Pradeep Chakkarath & PD Dr. Lars Allolio-Näcke