Von 18. – 20. September 2024 fand in Graz die 10. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechterforschung (ÖGGF) zum Thema „Menschen – Maschinen – Umwelten“ statt. Univ. Ass. Mag. Birgitta Schiller und Univ. Ass. Eva Wimmer MA (beide von der Fakultät für Psychotherapiewissenschaft) waren bei der Konferenz mit dem spannenden Thema „Cyborg-Therapeut*innen? Geschlechtslosigkeit und fehlende Körperlichkeit in der Online-Psychotherapie“ vertreten. Nachfolgend finden Sie den Abstract sowie einen Link zur Präsentation.
Cyborg-Therapeut*innen? Geschlechtslosigkeit und fehlende Körperlichkeit in der Online-Psychotherapie
Der derzeitige Boom von Online-Angeboten, nicht nur in der Psychotherapie, auch in Lehre, Beratung, Fort- und Weiterbildung bedarf einer gründlichen Bestandsaufnahme dessen, was es bedeutet, unsere Körper, unsere Geschlechtlichkeit(en) und unsere Sexualität(en) mittels eines Bildschirms aufeinander wirken zu lassen. Die hier vorgestellte Studie widmete sich der Erforschung von Körper(lichkeit) in der Online-Psychotherapie während der Covid-19-Pandemie, als sämtliche Psychotherapie in Österreich aufgrund der Einschränkungen auf Online-Therapie umgestellt wurde.
Die Körper von Patient*innen und Therapeut*innen mussten plötzlich auf eine Weise in der Psychotherapie Platz finden, wie es zuvor – im Face-to-Face-Setting – für die meisten ungekannt war. Vor allem im Bereich der (in psychoanalytischen Psychotherapieschulen) so wichtigen sexuellen Übertragung spielt der vergeschlechtlichte Körper eine wichtige Rolle. Faktoren wie Attraktivität, Sympathie oder körperliche Reaktionen auf das Gegenüber sowie das Spüren von körperlichen Spannungen zwischen Patient*in und Therapeut*in sind notwendig für den tiefenpsychologisch-psychodynamischen therapeutischen Prozess. Diese Parameter – so die Annahme – erfahren durch das Online-Setting massive Veränderungen.
Folgende Fragestellungen standen im Zentrum der Forschungsarbeit:
- Was macht die Zwischenschaltung eines digitalen Mediums mit der Körperlichkeit der Davorsitzenden?
- Wie nehmen sich die Personen als Körper wahr?
- In welchen Weisen wird der Körper eingesetzt und genutzt in der Online-Therapie?
- Wo tritt er in den Vordergrund, wo wird er vergessen?
In 15 Qualitativen Interviews wurde mit der Methodologie der Grounded Theory herausgearbeitet, dass Geschlecht oder sexuelle Übertragungsprozesse im digitalisierten, technischen Raum kaum Platz finden. Sterile Cyborg-Körperbilder, die über Kilometer durch Kabel übertragen werden, lassen kaum Körperlichkeit(en) zu. Die Cyborg-Existenz, in der die körperliche Bezogenheit eine andere ist, sollte im psychotherapeutischen Kontext reflektiert werden. Die Grenzen und Erweiterungen für Cyborg-Therapiepaare können für den psychotherapeutischen Prozess genutzt werden, unter der Prämisse, dass Beziehung die Möglichkeit ist, einen Raum der Nähe zu schaffen.
Kontakt für Rückfragen:
- Univ. Ass. Mag. Birgitta Schiller, birgitta.schiller@sfu.ac.at
- Univ. Ass. Eva Wimmer MA, eva.wimmer@sfu.ac.at
Institut für qualitative Psychotherapieforschung