Inszenierung und Wirken der Bundestagsreden der AfD in Bezug auf die COVID-19-Pandemie.
In M. Brunner, A. Domdey, N. Graage, D. Henze, & J. König (Hrsg.), Autoritäre Dynamiken in der Krise. Drei Fallstudien zu Agitation und autoritären Reaktionen in der Covid-19-Pandemie (S. 175-291). Wiesbaden: Springer VS.
Abstract
Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich die AfD zunehmend als parlamentarischer Arm der Corona-Proteste inszeniert. In dieser Studie wird untersucht, wie die AfD diese Positionierung in ihren Bundestagsreden rhetorisch umsetzt und welche psychologischen Wirkungen sie damit bei ihrem Publikum möglicherweise erzielt. Dazu werden drei Reden von führenden AfD-PolitikerInnen (Alexander Gauland, Sebastian Münzenmeier und Beatrix von Storch) mit der Methode der Tiefenhermeneutischen Kulturanalyse analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die AfD eine dramatische Bilderwelt konstruiert, die um die Vorstellung einer ›Coronadiktatur‹ kreist. Die RednerInnen greifen dabei einerseits pandemiespezifische Gefühlslagen, wie körperzentrierte Ansteckungsängste und mit der Einhaltung der Coronamaßnahmen verbundene Scham- und Schuldgefühle auf, für die sie passende Schiefheilungsangebote bereithalten. Andererseits setzen die RednerInnen an mögliche psychische Konflikte an, die sich ohnehin aus der immanenten Widersprüchlichkeit aktueller Vergesellschaftung ergeben, sich jedoch in der Krisensituation zu verstärken drohen.
Die RednerInnen machen dabei ein weltanschauliches Angebot, das der Vereinfachung hochkomplexer und mitunter überfordernder Zusammenhänge dient. Die individuelle Regression ihrer Anhänger:innen, die Flucht ins Autoritäre in Form der Unterwerfung unter das kollektive Wahngebilde, verspricht – unter Preisgabe der eigenen Reflexionsfähigkeit – die scheinbare Lösung aller Konflikte und Ambivalenzen und die Aufrechterhaltung der prekären psychischen Stabilität. Die AfD zielt dabei insgesamt auf eine autoritäre Massenbildung, indem sie eine apokalyptische Verfallsgeschichte der Demokratie inszeniert, die nur durch die Ermächtigung der AfD aufzuhalten wäre.