Präsentation der neuen Studie zum Potential von E-Psychotherapie in Österreich
An der SFU wurde erstmals die Einstellung von Psychotherapeut*innen zu telefonischen und videotelefonischen Therapieangeboten vor und nach der CoViD-Krise erhoben und untersucht, welche Erfahrungen Psychotherapeut*innen mit diesen Angeboten gemacht haben
Am 25. August 2020 von 10:00 – 11:00 Uhr
Ort: Sigmund Freud PrivatUniversität Wien, Freudplatz 3, 1. Stock, Raum 1004
Univ.-Prof. Dr. Martin Poltrum, Professor für Psychotherapiewissenschaft SFU
Priv.-Doz. Dr. Alfred Uhl, Privatdozent für Psychotherapiewissenschaft SFU
Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie
Mag. Martina Stepanek, Verein für ambulante Psychotherapie
An der Sigmund Freud PrivatUniversität wurde nun erstmals im Detail untersucht, ob und wie sich telefonische und videotelefonische Psychotherapie, die während der Lockdown-Phase infolge der CoViD-19 Krise erstmals in Österreich zugelassen war, auch danach längerfristig als Ergänzung der bestehenden Angebote etablieren könnte. Dazu wurden im Juni 2020 mehr als 700 Psychotherapeut*innen in ganz Österreich ausführlich zu ihren Erfahrungen mit telefonischer und videotelefonischer Psychotherapie (E-Psychotherapie) befragt.
E-Psychotherapie war vor der CoViD-19 Krise in Österreich nicht über Krankenkassen abrechenbar und nur ein knappes Drittel der Befragten gab an, vor Beginn der Krise eine positive Einstellung zur elektronisch mediatisierten Form der Therapie gehabt zu haben. Mit der Krise und ihren spezifischen Anforderungen an die psychotherapeutische Praxis hat sich das nun grundlegend geändert. Dazu meint Priv.-Doz. Dr. Alfred Uhl, Dozent für Psychotherapiewissenschaft an der SFU:
„Mit den krisenbedingt sehr kurzfristig auch in Österreich ermöglichten und von den Krankenkassen getragenen telefonischen und videotelefonischen Psychotherapieangeboten konnten und mussten viele Psychotherapeut*innen erstmals persönlich Erfahrungen mit diesen Therapieformen sammeln. Während vor der CoViD-Krise nur 1/3 die Option einer E‑Psychotherapie positiv einschätzten, beurteilen inzwischen rund 2/3 der Psychotherapeuten diese Option generell positiv und fast 90 % finden, dass E-Psychotherapie in bestimmten vorübergehenden Situationen ein sinnvolles Angebot darstellt. 71 % der befragten Psychotherapeutinnen waren dafür E-Psychotherapie als generell abrechenbare Leistung in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen und 94 % waren für Kassenfinanzierung für E-Psychotherapie in Ausnahmesituationen.“
Die Studie macht auch deutlich, dass trotz dieser deutlichen Einstellungsänderung innerhalb der Profession nach wie vor weitgehend Einigkeit darüber herrscht, dass der direkte persönliche Kontakt mit Patientinnen und Patienten im Rahmen von psychotherapeutischen Behandlungen ein ganz zentrales Element darstellt, auf das man nicht leichtfertig verzichten sollte. Circa 9 von 10 der Befragten könnten sich aber vorstellen, auch nach der Krise E-Psychotherapie einzusetzen, wenn das persönliche Erscheinen von Patientinnen und Patienten in einer Praxis entweder nicht zumutbar oder nicht möglich ist, sofern diese Option in den Leistungskatalog aufgenommen wird. Dazu meint Prof. Dr. Martin Poltrum, Professor für Psychotherapiewissenschaft an der SFU:
„In diesem Zusammenhang steht nun die Forderung im Raum, auch nach Abklingen der CoViD-19 Krise unter gewissen Bedingungen E-Psychotherapie permanent über die Krankenkassen anbieten zu können. Dazu ist es allerdings zweckmäßig, die versicherungsmäßigen Rahmenbedingungen und den Datenschutz eindeutig zu regeln um Rechtssicherheit für alle Beteiligten herzustellen – wie das in Deutschland bereits vor der CoViD-19 Krise erfolgt ist.“
Um Patientinnen und Patienten überall, schnell und unkompliziert behandeln zu können und die psychotherapeutische Versorgung auch in jenen Regionen sicher zu stellen, in denen keine oder nur wenige Psychotherapeut*innen ordinieren oder die Wege zur nächsten psychotherapeutischen Praxis unzumutbar lang sind, wäre es aus berufspolitischer Sicht wünschenswert, eine Regelung zu finden welche mehr Flexibilität zulässt und eine optimale Versorgung für alle Patient*innen sicherstellt. Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie meint hierzu:
„Notwendig wäre, dass es in Österreich in Zukunft mehr Freiheit für Patient*innen und Psychotherapeut*innen gäbe, die Art und Weise ihrer Sitzung selber zu wählen. Deutsche Psychotherapeut*innen mit Kassenvertrag können 20 % ihrer Therapien als Videositzungen abhalten. In Österreich sollte im Dienst am leidenden Menschen eine ähnliche oder idealerweise eine noch mutigere und liberalere Regelung gefunden werden.“
Was den therapeutischen Diskurs über die Vor- und Nachteile der digitalen Psychotherapie via Videositzung anbelangt, zeigt die Studie darüber hinaus, dass in der befragten psychotherapeutischen Community Uneinigkeit darüber besteht, wie gut sich über Videositzungen eine tragfähige psychotherapeutische Beziehung herstellen lässt. Dabei reicht das Spektrum der diesbezüglichen Äußerungen von „gleich gut“ und „kaum einem Unterschied zur Face-to-Face Sitzung“ bis zu „erheblichen Problemen“ bei der therapeutischen Beziehungsgestaltung. Mag. Martina Stepanek vom Verein für ambulante Psychotherapie meint dazu:
„Psychotherapie steht und fällt natürlich mit der Qualität der therapeutischen Beziehung. Allerdings zeigen Fernbeziehungen in außertherapeutischen Lebenszusammenhängen auch, dass diese zeitweise auch online gelebt werden und so auch funktionieren. Ähnliches gilt für psychotherapeutische Beziehungsgestaltungen bei Videositzungen, wie verschiedene Studien belegen.“
Die Studienautor*innen:
Univ.-Prof. Dr. Martin Poltrum, Professor für Psychotherapiewissenschaft an der Sigmund Freud PrivatUniversität, Fakultät für Psychotherapiewissenschaft. martin.poltrum@sfu.ac.at
Priv.-Doz. Dr. Alfred Uhl, Privatdozent für Psychotherapiewissenschaft an der Sigmund Freud PrivatUniversität, Fakultät für Psychotherapiewissenschaft, alfred.uhl@sfu.ac.at
Hannah Poltrum, B.Sc., Masterstudentin der Psychologie an der Sigmund Freud PrivatUniversität, Fakultät für Psychologie, hannah-poltrum@gmx.at
Kooperationspartner*innen:
Dr. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, peter@stippl.info
Mag. Martina Stepanek, Verein für ambulante Psychotherapie, stepanek@vap.or.at
DDr. Ida-Maria Kisler, Ausbildungsinstitut für Logotherapie und Existenzanalyse, abileinstitut@aon.at
MMag. Ingrid Jagiello, Steirische Landesverband für Psychotherapie, ingrid.jagiello@stlp.at, ingrid.jagiello@stlp.at
Video:
Download:
SFU_Presseinfos_2020_08_28_E-Psychotherapie (pdf)
Foto Pressekonferenz (12,8 MB)
Artikel: Aus der Ferne ganz nah dran (pdf)
DIE FURCHE (Ausgabe 35) vom 27. August 2020, Seite 22
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SFU Wien – Hochschulkommunikation
Mag. Dr. Dr. Manuel Jakab
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